Struggle Berufswahl

Ich stehe da, habe mein Abschlusszeugnis in der Hand und freue mich über die neu gewonnene Freiheit, endlich das machen zu können, worauf ich Lust habe. Es gibt so viele Optionen. Ins Ausland gehen? Ein freiwilliges soziales Jahr oder Bundesfreiwilligendienst machen? Oder doch direkt ein Studium / eine Ausbildung beginnen? Irgendwo jobben und möglichst viel Freizeit haben?

Mir ging es zum Ende meiner Schulzeit wahrscheinlich wie vielen von euch auch. Ich hatte keinen Schimmer, was ich beruflich machen möchte. Es war nicht so, dass ich mich gar nicht erkundigt hätte, welche Berufe für meine Interessen und Stärken infrage kommen, nein, es war eher das Problem, dass es zu viele Optionen gab, ich keine Ahnung hatte, was hinter den so toll und spannend klingenden Berufsbeschreibungen tatsächlich steckt und vor allem, dass mich nichts davon so richtig gekickt hat.

Ich habe mir doch Zeit meines Lebens um solche Dinge keine Gedanken machen müssen. Ich ging zur Schule, traf meine Freunde, hatte meinen geregelten und mehr oder weniger vorgeschriebenen Alltag. Und schon befand ich mich im letzten Schuljahr und war gezwungen mir ernsthaft Gedanken um seine Zukunft zu machen. Ich habe damals den Rat meiner Eltern gesucht und bin so auf die Verwaltung im öffentlichen Dienst aufmerksam geworden. Um mich für das Studium zu bewerben, war ich zu spät dran und so bewarb ich mich auf Empfehlung meiner Eltern für eine Berufsausbildung zur Verwaltungsfachangestellten. Ich habe, um ehrlich zu sein, kaum über diese Entscheidung nachgedacht, denn ich habe mich einfach blind darauf verlassen, dass meine Eltern schon wissen würden, was das Richtige für mich wäre, abgesehen davon, dass ich ja eh nichts Besseres wusste. Meine Blauäugigkeit spiegelte sich auch darin wieder, dass ich nur eine einzige Bewerbung schrieb und ziemlich ins Schwitzen kam, als ich im Bewerbungsgespräch gefragt wurde, wo ich mich denn noch überall beworben hätte. Puuuuh, das war sehr unangenehm. Trotzdessen, dass ich dann nicht mal wusste, wie unsere damalige Oberbürgermeisterin hieß (jesswayofvorbereitung), bekam ich die Zusage für den Ausbildungsplatz.

Mit der Ausbildung begann meine persönliche Zwangslage. Ich habe schon recht schnell im ersten Lehrjahr bemerkt, dass diese Ausbildung überhaupt nicht das ist, was mich begeistert, erfüllt oder mir Freude macht. Ich habe häufig Sätze gehört wie „Arbeit ist eben Arbeit und Spaß hat man in seiner Freizeit“. Das sehe ich aber ein wenig anders. Man verbringt in der Woche im Regelfall um die 40 Stunden auf Arbeit. Da sollte meiner Meinung nach ein Großteil dieser Zeit auch Freude an der Arbeit mit sich bringen. Ich glaube nicht, dass es einen Job gibt, bei dem man immer zu 100 % glücklich ist und wo alles perfekt ist, aber die Tatsache, dass ich während der Praxiszeiten in den Ämtern fast nie gute Laune beim Arbeiten hatte, hat mich logischerweise sehr frustriert.

Ich kam damals nach einem 8,5 h langen Arbeitstag nach Hause und hatte so schlechte Laune, dass ich auf nichts mehr Lust hatte. Die Arbeit und die Menschen in der Verwaltung haben mich einfach sehr runtergezogen. Ich dachte mir oft, dass ich einfach nur noch nicht das passende Amt / Sachgebiet für mich gefunden hatte, denn dann würde das schon alles besser werden. Man hat ja soooo viele verschiedene Möglichkeiten, habe ich mir immer eingeredet. Die Wahrheit ist aber, dass ich persönlich sehr viele Ämter durchlaufen habe in den insgesamt 4 Jahren (3 Jahre Ausbildung und 1 Jahr Studium) und ich mich nirgends wohlgefühlt habe. Die Menschen hatten größtenteils eine „Nullbockeinstellung“, waren nicht interessiert Prozesse effektiv abzuwickeln und hatten auf mich eine sehr negative Ausstrahlung. Klar kann man nicht alle über einen Kamm scheren, aber die meisten Mitarbeiter, die ich in der Verwaltung kennengelernt habe, haben leider die Klischees erfüllt, die man über den Verwaltungsapparat so kennt.

Ich könnte noch sehr viel mehr darüber berichten, was mich alles runtergezogen hat auf Arbeit, aber darum soll es gar nicht gehen. Ich versackte jedenfalls nach so einem Arbeitstag auf meiner Couch, fraß sinnlos super viel Zeug in mich hinein, weil ich dachte, dass mich das noch irgendwie aufmuntern würde, ging schlafen und am nächsten Tag ging das Spiel wieder von vorne los. So gelangte ich irgendwann in eine depressive Verstimmung. Ich hatte keine Lust mehr mich mit anderen Leuten zu treffen, hatte mich sozial fast isoliert, war antriebslos, unzufrieden, wollte am liebsten immer zu Hause bleiben und Florian konnte mir trotz allem, was er versuchte auch nicht mehr helfen und hat dazu noch meinen Frust abbekommen.

Klar waren diese 4 Jahre nicht nur furchtbar und ich hatte während meiner Ausbildung auch eine Freundin, mit der ich mich über alles austauschen konnte, die mich verstanden hat und die meine Stimmung zumindest zu Berufsschulzeiten aufgehellt hat. Auch im Studium während der Theoriezeiten ging es mir gut, weil ich auch dort sehr viele liebe Kommilitonen hatte, aber sobald ich mich wieder im Praxiseinsatz befand, ging es mir sofort schlechter.

In dieser Zeit habe ich die Gründe für meine Unzufriedenheit bei vielen Dingen gesehen. Bei meiner Figur, bei unser finanziellen Situation, bei meinen familiären Umständen, meinem unerfüllten Glaubensleben und vielem mehr. Irgendwann war mir klar, dass vor allem meine Ausbildung / mein Beruf Einfluss auf meine Verfassung hatte, aber abbrechen kam für mich nie in Frage. Ich konnte mich damals nicht dazu durchringen, schon während meiner Ausbildung zu sagen, dass ich das ganze jetzt abbreche, denn dann hätte ich ja meinen Lebenslauf ruiniert. Das Studium war der logische Schluss, um die Laufbahn weiterzugehen und den Vorstellungen meiner Eltern, vor allem meines Vaters gerecht zu werden. Das habe ich mir zumindest immer eingeredet. Um mich von diesem Gedanken zu lösen, habe ich einige Zeit gebraucht. Das, was mir aus meinem Sumpf half, war die Erkenntnis, dass ich mich beruflich in eine völlig andere Richtung entwickeln möchte, als ich es bis dato gemacht hatte. Ich wusste zwar nicht, wohin genau, aber mir war absolut klar, was ich nie wieder machen wollte.

Bei mir gab es dann eine sehr lange Phase des Ausprobierens, teilweise auch wieder der Orientierungslosigkeit, nachdem ich im September 2017 mein Studium im gehobenen Dienst abgebrochen hatte. Aber es hat sich so gut angefühlt und genau diese Phase habe ich so sehr gebraucht. Ich habe angefangen mich mit mir selbst auseinanderzusetzen, habe mir aktiv Zeit für mich genommen und mich gefragt, was ich mir von meinem Leben erwarte, was ich erreichen möchte, welche Ziele und Träume ich habe. Das habe ich vorher, während der Ausbildungszeit nie richtig geschafft. Zum ersten Mal habe ich über MEINE Ziele und Zunkunfsvorstellungen nachgedacht, unabhängig von der Meinung meiner Eltern, unabhängig von dem, was vielleicht ein sicherer Weg ist. Außerdem konnte ich die Dinge, die für mich vermeintlich die Gründe meiner Unzufriedenheit waren, richtig einordnen, meine Prioritäten überdenken und so z.B. neue Freundschaften knüpfen, einen gesunden Umgang mit meinem Körper lernen und in meinem Glauben wachsen.

Ich habe dann in verschiedensten Unternehmen gearbeitet und bin nie wirklich glücklich geworden. Ich habe mich nirgends angekommen gefühlt. Doch ich wusste jetzt, dass dieses Gefühl des beruflichen Angekommenseins, unverzichtbar für meine eigene Glückseligkeit ist. Erst vor kurzem habe ich meinen Platz gefunden, an dem ich meine Kreativität, meine Leidenschaften und Interessen verwirklichen kann. Für mich war es wichtig eine solche Reise hinter mich zu bringen, um zu merken, was mir nicht gefällt. Das hat mir geholfen mich aktiv mit mir selbst auseinanderzusetzen und herauszufinden, was es ist, was mir gefällt und was ich erreichen möchte – welcher Beruf wirklich zu mir passt.

Ich habe es mir damals leicht gemacht und mich blind von den Tipps meiner Eltern leiten lassen und habe Jahre gebraucht, um zu erkennen, dass es nicht MEIN Weg war. Ich war wirklich gut in der Arbeit mit den Gesetzen und hatte super Noten, obwohl ich nie viel investiert habe, was mich noch mehr daran gehindert hat, diesen Weg abzubrechen. Aber nur weil du etwas gut kannst, weil es bodenständig ist, dir finanzielle und berufliche Sicherheit bietet, heißt das nicht, dass es der einzige Weg ist, den du gehen kannst und es heißt erst recht nicht, dass du dich damit zufrieden geben musst, wenn es dich eigentlich runterzieht.

Ich möchte dich ermutigen weiter nach dem zu suchen, was dich erfüllt, denn ich bin sicher, dass es das gibt. Und wenn das für dich bedeutet, dass du in der Stadtverwaltung Däumchen drehst, weil das für dich wie „the dream“ klingt einen sicheren Arbeitsplatz zu haben und viel Pause zu machen, dann go for it und probiere es aus. Suche und finde dein Potential, deine Stärken und gehe DEINEN Weg.