Selbstannahme

Von Konfektionsgröße M zu XS zu S

Wohlfühlen im eigenen Körper. Für mich war das jahrelang überhaupt kein Problem. Doch aufgrund verschiedener Umstände hat sich das leider geändert und das Thema Körperwahrnehmung und das ständige Vergleichen mit anderen Frauen wurde zu einem sehr großen Thema in meinem Leben. Ich möchte euch gern ein bisschen in meine Geschichte und meine sich ändernde Beziehung zu meinem Körper mitnehmen.

Als Teenager habe ich mir nie großartig Gedanken über meinen Körper gemacht. Ich habe schon immer unglaublich gern gegessen, vor allem von Süßigkeiten konnte ich nie die Finger lassen. Das hatte zur Folge, dass ich einfach etwas kräftiger war. Doch ich hatte nie wirklich ein Problem damit. Klar gab es damals ab und an schlechte Tage, an denen ich mich im Spiegel angesehen habe und wünschte, dass meine Beine dünner wären und ich weniger auf den Hüften hätte. Im Großen und Ganzen aber war ich sehr zufrieden mit mir und mein Gewicht hatte eigentlich keinen großen bis gar keinen Stellenwert in meinem Leben. Es hatte auch keinerlei Auswirkungen auf mein Selbstbewusstsein.

 

Dann, im Spätsommer 2014 waren meine Blutwerte so schlecht (ich habe die Blutkrankheit Immunthrombozythopenie seitdem ich 12 Jahre alt bin), dass ich zwingend sehr starke Medikamente nehmen musste. Eigentlich hieß es, dass man durch diese Medikamente zunehmen würde, bei mir haben sie aber das Gegenteil bewirkt. Ich habe innerhalb von 3 Wochen extrem abgenommen. Ich hatte einfach kaum Appetit und auch kaum noch richtigen Hunger. Was sich erstmal wie ein Vorteil angefühlt hat, war eigentlich der Beginn einer absoluten Krise.

Aufgrund meiner körperlichen Veränderung habe ich sehr viele Komplimente bekommen. Die Leute um mich herum schenkten mir mehr Aufmerksamkeit, sahen mich irgendwie anders an und ich bekam sehr viel Bestätigung, Bewunderung und Anerkennung. Ich gewann einen “Model”-Wettbewerb im Frühjahr 2015 und bekam kleine Einblicke in die Welt der Models. Damit begannen die Gedanken, die mich für längere Zeit in ein sehr trostloses Loch katapultierten. Die Gedanken, die mich in die Magersucht führten.

Ich hatte nie geplant, meinen Körper zu verändern. Ich war einfach glücklich und lebensfroh gewesen, fühlte mich pudelwohl und bezog meinen Selbstwert nicht aus meinem Äußeren. Durch die Meinungsbekundungen und freundlichen Komplimente der anderen veränderte sich mein Fokus. Ich begann mich sehr stark über mein Äußeres zu definieren. Ich betrachtete mich regelmäßig im Spiegel und sah so vieles, was noch nicht perfekt war, wo ich noch mehr abnehmen und an mir arbeiten müsste. Ich wollte immer mehr dieser neu gewonnenen Bestätigung. Somit begann es, dass ich anfing an mir selbst zu zweifeln und nur noch an meinem Körper herummeckerte, mich beschwerte über meinen schlechten Stoffwechsel und meine Gedanken nur noch damit beschäftigt waren, wie ich diesen körperlichen Zustand, so extrem dünn zu sein, beibehalten konnte. Ich wollte auf keinen Fall wieder zunehmen, sondern noch dünner werden. Mein ganzes Sein war darauf ausgerichtet, was ich aß, wie viel ich aß, wie ich meine zugeführten Kalorien wieder durch Sport wegtrainieren konnte.

Ihr könnt euch das wahrscheinlich kaum vorstellen, wie extrem dieses Denken in mir verankert war. Ich habe Süßigkeiten und Leckereien die ich bekam in meine Tasche gesteckt, gesagt, ich würde sie später essen und dann habe ich sie entweder weggeschmissen oder Florian gegeben. Ich habe zum Frühstück einen kleinen Joghurt gegessen, zum Mittag nicht einmal eine halbe Schnitte und abends nichts. Aus Höflichkeit habe ich einmal auf Arbeit ein Stück Kuchen gegessen, weil ich der Situation nicht entfliehen konnte. Danach habe ich einen halben Heulkrampf bekommen, gegoogelt wie viele Kalorien das Stück Kuchen wohl enthalten haben mochte und bin sofort ins Fitnessstudio gegangen um mir diese Kalorien wieder abzustrampeln.

Das Ende vom Lied ist: Ich habe in dieser Zeit nur für die Anerkennung anderer gelebt. Ich habe es verpasst wirklich zu leben. Ich war 24/7 schlecht drauf, weil ich pausenlos Hunger hatte und habe alle meine Beziehungen vernachlässigt, denn – in Gesellschaft wird ja meist gegessen. Ich habe Treffen mit Freunden abgesagt, aus Angst, etwas essen zu müssen, oder erfand die Ausrede, dass ich ja schon gegessen hätte. Das Einzige, was für mich zählte war, meinem verzerrten Idealbild von einem schönen Körper nachzueifern. Es war der blanke Horror! Es hat mich, meine Seele und meine Beziehungen vergiftet.  Ich war sauer auf Florian, wenn er mich bei meiner Ernährungsweise nicht unterstützte oder mir sagte, er würde mich auch mit 30 kg mehr auf den Rippen lieben – das musste gelogen sein. Ich wäre doch nicht liebenswert, wenn ich mehr wiegen würde. Das waren meine Gedanken, die mich bestimmten. Es war krankhaft.

 

 

 

Irgendwann gab es dann einen Wendepunkt. Darauf möchte ich hier aber nicht näher eingehen. Ich hatte Menschen um mich rum, die sich sehr um mich gesorgt haben und mich aus diesem Sumpf rausgezogen haben. Was ich euch aber sagen will ist, dass ich schmerzlich gemerkt habe, wie ich mich verrannt habe in meiner vermeidlichen „Selbstliebe“, die keine Selbstliebe war. Ich sehnte mich nach der Liebe von anderen Menschen. Ich konnte selbst kaum Liebe annehmen oder Liebe schenken. Jeder Mensch sehnt sich danach geliebt zu werden, ABER Liebe hat nichts mit der Konfektionsgröße zu tun! Du kannst nur Liebe zulassen und Liebe schenken, wenn du lernst, dich selbst zu lieben. Dich selbst zu lieben, so wie du bist! Und jeder von uns ist einzigartig und wunderbar gemacht! Ich musste mir selbst verzeihen, für das, was ich mir und meinem Körper so lange angetan hatte und was ich meinen Mitmenschen angetan habe mit meiner Versessenheit. Selbstannahme. Selbstannahme ist der Schlüssel. Nimm dich an, so wie gebaut und veranlagt bist, mit all den Falten, Rissen in der Haut, Pickeln, Pigmentflecken, Kilos “zu viel” oder “zu wenig”. Nimm dich an, liebe dich selbst und deinen Körper, denn du bist wertvoll, du bist ein Wunder, du bist ein Geschenk. Mein Glaube war für mich auf diesem Weg entscheidend, denn ich glaube daran, dass Gott mich genauso gemacht und gewollt hat und vor allem so liebt wie ich bin. Und wenn du dich selbst so liebst, wie du bist, dann wirst du Strahlen wie ein Stern und meine Lieben, unsere Ausstrahlung und ein gesundes Essverhalten sind tausend mal mehr wert, als der vermeintlich vorgegaukelte “perfekte” Körper!

Ich esse eben für mein Leben gern. Es macht mich glücklich mir ab und zu ein paar Leckereien zu gönnen, deshalb werde ich nie mehr in Gr. 34 passen. Und das ist gut und okay so. Ich bin wie ich bin. Und das ist genug. Ich bin genug. Und ich brauche nicht die Komplimente und Bewunderungen anderer Menschen, um glücklich zu sein. Ich bin geliebt, so wie ich bin. Das ist jeder und jede von uns. Ich werde wahrscheinlich immer wieder kleine Kämpfe kämpfen und Tage haben, an denen ich mich nicht wohl fühle und mir wünsche, dass ich ein wenig schlanker wäre – Aber, wenn ich mich dabei ertappe, dass ich mich mit anderen vergleiche und mich selbst schlecht mache, genau dann sage ich innerlich “STOPP”. Stopp Jessica. Lass nicht zu, dass dich diese negativen Gedanken überkommen. Es gibt so viele wunderhübsche Frauen auf unserer Welt & das ist wundervoll, genauso, wie du wundervoll bist. Jeder hat seine kleinen Makel und das ist okay. ♥︎

Das bin ich heute. Ich gönne mir wieder ab und zu ein paar Leckereien und genieße mein Leben!