Alleinsein ≠ Einsamsein

Ich war nie gut darin allein zu sein und habe nach wie vor noch ein Problem damit. Ich war es mein Leben lang gewohnt in Gesellschaft zu sein. Ich war nie viel allein. Auch nicht, als ich mein Elternhaus verlassen habe, denn da bin ich direkt mit meinem heutigen Mann zusammengezogen. Ich habe nie allein gelebt und von uns beiden brauchte auch keiner sonderlich viel Zeit für sich. Allein etwas zu unternehmen war für mich stets undenkbar. Was soll man da schon machen? Wenn niemand meiner Freunde Zeit hatte, mein Mann Termine oder für die Uni viel zu tun und auch niemand aus meiner Familie, dann saß ich da und habe meist Serie geschaut, oder mich auf andere Weise berieseln lassen. Das Haus verlassen habe ich aber nicht allein. Ist das nicht merkwürdig?

Durch meine Selbstständigkeit wurde es noch extremer, da ich jeden Tag Homeoffice mache und damit allein bin in unserer Wohnung. Keine Kollegen, Kommilitonen oder Freunde um mich herum. Zu Beginn war genau das auch herrlich. Es war neu und irgendwie genoss ich die Zeit allein in unserer Wohnung sehr und auch die damit verbundene Ruhe. Mit der Zeit habe ich aber gemerkt, wie unzufrieden ich wurde. Unzufrieden und unglücklich. Das Gefühl von Einsamkeit machte sich breit, weil ich mich in Quarantäne begab. In eine selbstgeschaffene Quarantäne. Ich hatte das Gefühl, dass mir in unserer Wohnung die Decke auf den Kopf fällt. Ich wusste nicht, wohin mit mir. Ich hatte das Gefühl in meinem eigens errichteten Gefängnis zu leben. Ich fühlte mich von mir selbst eingesperrt in meiner eigenen Wohnung. Es lag nicht daran, dass ich nicht allein sein konnte, sondern daran, dass ich allein nichts unternahm.

Was macht man denn allein? Wo geht man allein hin? In ein Café? Klar, das machen immer mehr Selbstständige. Ich habe es nie gemacht. Warum machen mir Dinge Angst, die ich noch nicht einmal ausprobiert habe? Warum fällt es mir so schwer allein aktiv zu werden & allein meine Wohnung zu verlassen und mich in ein Café oder Restaurant zum arbeiten zu setzen? Theoretisch könnte ich doch überall arbeiten.

Ich traute mich nicht allein rauszugehen und zu leben. Wie lebt man allein? Was denken die Leute, wenn ich allein unterwegs bin? Meine eigene Unsicherheit und mein fehlendes Selbstbewusstsein sperrten mich ein. Und das machte mich unglücklich, unausgeglichen und störte meine Kreativität. Und das wiederum setzte mich unter Druck, denn kreative Ideen brauche ich für meine Arbeit permanent. 

Was macht man also allein? 

Der erste Schritt für mich, damit ich wieder ausgeglichener und glücklicher werden konnte war, dass ich einfach ein paar Dinge geschnappt habe, raus ging, aufs Fahrrad stieg und einfach losfuhr. Ohne Plan und ohne Ziel. Manchmal ist es besser keinen Plan zu haben, sondern einfach loszufahren. Einfach treiben lassen. Schon nach den ersten Metern fühlte ich mich frei. Frei und glücklich. 

“Die Sache ist, wir Menschen wären wahrscheinlich glücklicher, wenn wir auch alleine rausgingen und etwas tun würden.” – Rebecca Ratner, Marketin-Professorin, University of Maryland

Alleine etwas zu unternehmen ist unfassbar wichtig für das eigene Wohlbefinden. Auch wenn man in einer Partnerschaft oder Ehe ist. Oder besser auch gerade dann. Denn im Endeffekt ist jeder für sich ein eigenständiger Mensch, mit eigenen Sichtweisen und Vorlieben. Es ist wichtig, gemeinsame Erfahrungen zu sammeln, gemeinsame Abenteuer zu erleben, aber mindestens genauso wichtig ist es, allein unterwegs zu sein. Sich selbst im Alleinsein zu finden und seinen eigenen Vorlieben nachzugehen. Und wenn man nicht weiß, was man für Interessen und Vorlieben hat, dann wird es höchste Zeit sich selbst auszuprobieren, um genau das herauszufinden. So kann jeder einzelne seine Interessen leben und aufblühen. Es wird sich positiv auf die Beziehung auswirken, wenn man zum einen weiß, was man will und das macht, was man liebt – auch ohne den Partner. Ich glaube, dass es wichtig ist, sich nicht gegenseitig zurückzuhalten und auszubremsen, sondern sich Freiräume zu geben und sich selbst zu entfalten und seinen Partner sich auch entfalten zu lassen.

Ich glaube, dass in der Zeit, die man allein verbringt und in der man allein aktiv wird ein großer Schatz für einen selber liegt. Ich zumindest habe für mich erkannt, wie bereichernd es ist allein unterwegs zu sein, raus zu gehen und meine eigens geschaffene Quarantäne zu verlassen. Zu leben. Außerdem ist es total spannend wie man seine Umgebung nochmal ganz anders wahrnimmt, als mit anderen Menschen zusammen.

Wenn du nicht weißt, was du allein machen kannst, dann habe ich hier eine kleine Auflistung mit Beispielen für dich.

40 Dinge, die du allein machen kannst:

  1. Fahrradtour
  2. Fotografieren oder Filmen
  3. spazieren gehen in der Natur
  4. Zu einem Konzert gehen
  5. Ausflüge / Urlaub planen
  6. Den Keller/Kleiderschrank ausmisten
  7. künstlerisch ausprobieren (Zeichnen, Nähen, Basteln, Schreiben)
  8. Wandern gehen
  9. Bibel lesen
  10. Zimmer/ Haus umräumen oder umdekorieren
  11. Ein Lied oder Gedicht texten 
  12. Kanu fahren
  13. Seinen Eltern eine Überraschung machen
  14. seinen Liebsten einen Brief schreiben
  15. Alte Möbel ausarbeiten 
  16. eigene Lebensgeschichte aufschreiben
  17. Dankbarkeits-Tagebuch beginnen
  18. Auf Entdeckungstour gehen in der eigenen Stadt
  19. Eine Fremdsprache lernen
  20. Ein Musikinstrument spielen
  21. Tiere beobachten
  22. Eine Doku anschauen
  23. In die Bibliothek / Buchhandlung gehen 
  24. In ein kleines Café setzen und Leute beobachten
  25. Fachliteratur und Sachbücher lesen
  26. Tanzen
  27. Etwas für die eigene Gesundheit machen (Zahnarzttermin, Ernährungsweise gesünder gestalten und umstellen, neue Brille mit richtiger Stärke anfertigen lassen,…)
  28. Joggen gehen im Grünen
  29. Telefonate führen
  30. Ins Kino gehen
  31. Beten
  32. Essen kochen
  33. Essen gehen
  34. Gelegenheitsarbeiten in der Wohnung machen 
  35. Meditation 
  36. An einen See fahren und die Aussicht genießen 
  37. Einfach nur hinlegen und Musik / Podcast hören 
  38. Gegenstände reparieren
  39. Gemeinnütziges Projekt unterstützen
  40. Ehrenamtlich tätig werden