past / future

Wer vor seiner Vergangenheit flieht, verliert immer das Rennen.“ – Thomas Stearns Eliot, 1963: Aber im Winde das Wort

Wir alle haben eine Geschichte. Wir sind geprägt von den Erfahrungen und Erlebnissen unserer Vergangenheit. Ich bin jetzt 25 Jahre alt und in meinem näheren Umfeld bekommen so langsam alle Kinder. Da ist es ganz normal, dass auch wir darüber nachdenken, wann der richtige Moment sein wird, um selbst Eltern zu werden. Gibt es ihn überhaupt, den „richtigen Moment“? Was ich zumindest weiß ist, dass wir auf jeden Fall Eltern werden möchten. Bevor wir das aber versuchen, möchte ich noch mehr mit meiner Vergangenheit aufgeräumt haben.

Die eigene Vergangenheit und Geschichte ist in meinen Augen auch stark von der Geschichte der Eltern und Großeltern geprägt. Meine Großeltern haben beispielsweise schlimme Erfahrungen während des zweiten Weltkrieges durchleben müssen. Meine Oma hat um ihr Leben gekämpft und meine Eltern hatten es extrem schwer als Christen in der DDR. All das wirkt sich natürlich auch auf die Kinder und deren Erziehung aus. Der Kummer, die Verletzungen und das erlebte Leid können auf Folgegenerationen übertragen werden, das lässt sich oft kaum verhindern. Indem ich die Geschichte meiner Großeltern und meiner Eltern kenne, kann ich meine eigene besser verstehen und akzeptieren. Ich kann aus der Vergangenheit lernen.

Ein kaputtes Du kann viel kaputt machen. Ein gesundes Du aber kann viel ganz machen und Veränderung bringen.“ – David Rominger

Manchmal erkennen wir erst sehr viel später warum dieses oder jenes passiert ist. Ich bin mir sicher, dass alles aus einem bestimmten Grund passiert. Ich glaube, dass ich selbst verschiedene Täler durchlebt habe, um anderen durch meine Geschichte eine Hilfe und Stütze sein zu können und um andere, die ähnliches erlebt haben, besser zu verstehen und ihnen Trost zu spenden. Durch meine Geschichte weiß ich, was ich meinen eigenen Kindern mal nicht aufbürden möchte. Ich kann Gewohnheiten und Dinge, die von Generation zu Generation weitergegeben wurden durchbrechen. Aber das geht eben nur, wenn ich mich mit meiner Vergangenheit konfrontiert und sie aufarbeitet habe. Nur so kann ich heilen, den Schmerz und gewisse Ängste brechen und verhindern sie weiterzugeben.

Sich mit seiner Vergangenheit zu konfrontieren kann unglaublich schmerzvoll sein. Es hat ja einen Grund, warum man gewisse Dinge tief im Unterbewusstsein vergräbt. Aber wie im Ausgangszitat schon steht, gewinnt man durch das verbuddeln von Schmerz nichts. Irgendwann bricht er aus und mit der vollen Wucht könnte ich persönlich nicht so gut umgehen. Ich bevorzuge es, mich mit meiner teilweise nicht so rosigen Vergangenheit Stück für Stück auseinanderzusetzen, in einem Tempo, das ich vertrage. Und auch wenn es schmerzhaft ist, geht es mir danach um Welten besser. Man wird frei. Und das möchte ich sein. Ich möchte frei sein von extremen Verlustängsten. Ich möchte frei sein von einer zu großen Angst nicht genug zu sein. Diese Ängste sind so ungesund, können einen lähmen, von innen heraus auffressen und Beziehungen kaputt machen.

Mir persönlich hilft mein Glaube da sehr. Ich weiß, dass ich all meine Sorgen und Ängste an meinen liebenden Vater im Himmel abgeben kann. An meinen Papa im Himmel, der mich bedingungslos liebt und all meine Last auf sich nimmt. Wenn ich Gott all das abgebe: schlechte Prägungen aus der Vergangenheit, Verletzungen die ich erfahren habe und Lügen über mich, die in mein Leben gekommen sind, erst dann kann ich wirklich heilen. Heilung erreicht niemand allein. Gespräche mit Freunden, Vertrauten oder Profis, bewusste Zeit allein, Meditation und Gebet können Möglichkeiten sein, Licht ins Dunkel zu bringen. Ich will dich ermutigen die Dinge in deinem Leben oder an dir, mit denen du unzufrieden bist, nicht hinzunehmen à la „So bin ich eben…“. Du kannst es ändern und mir hat dabei unfassbar geholfen vorher zu erkennen woher diese oder jene Prägung kam.

Ich glaube, dass dieser Entwicklungs- und Heilungsprozess niemals richtig abgeschlossen sein wird und, dass es immer wieder Höhen und Tiefen geben wird. Wenn man aber jetzt schon anfängt aufzuräumen wird sich der Berg irgendwann nicht unbezwingbar anfühlen.

Mir wird erst jetzt mit 25 Jahren bewusst, welchen enormen Impact man als Eltern auf das komplette Leben seiner Kinder hat. Ich habe die Möglichkeiten dazuzulernen, meinen Horizont zu erweitern, mich zu informieren und die Dinge nicht nach dem Schema anzugehen „weil man das eben so macht“ oder „das haben wir schon immer so gemacht“ und dann negative Prägungen weiterzugeben. Ich kann die Opfermentalität ablegen und aufhören die Schuld bei anderen, bei meiner Kindheit oder den Prägungen, die ich mitbekommen habe, zu suchen. Ich habe es selbst in der Hand einen Schnitt zu machen und Veränderung zu bringen.

Dafür muss ich selbst noch ein ganzes Stückchen wachsen. Ich bin extrem dankbar für diese Erkenntnis. Ich möchte für meine Kinder mein Bestes geben können, ihnen gute und wertvolle Werte mitgeben, zeigen wie man Konflikte lösen kann, wie wichtig Kommunikation ist, sie bestärken, unterstützen und mit Liebe überschütten. 

Wenn du jetzt das Gefühl hast, dass du Schmerz oder Verletzungen aus deiner Vergangenheit noch nicht aufgearbeitet hast, kann ich dir nur ans Herz legen, das lieber heute als morgen anzugehen.

Wir alle können unsere Vergangenheit nicht verändern, aber wir können beeinflussen, welche Auswirkungen sie auf unsere Zukunft hat.

THE BEST IS YET TO COME.