Woche 10 – 13 // Australien

Hier sitze ich nun mit kalten, nassen Füßen am anderen Ende der Welt in meinen Gummibirkenstocks. Genauer gesagt, sitze ich auf der Terrasse eines Cafés kurz vor dem Royal National Park bei Sydney und schaue auf den verregneten Dschungel.

Was für ein krasses Abenteuer jetzt schon hinter uns liegt. Heute ist der 7. April 2022 und wir sind bereits knapp 3 Wochen lang unterwegs. Unsere große Reise begann am 21. März gegen Mittag. Wir stiegen vollbepackt mit zwei riesigen Rucksäcken auf dem Rücken, zwei kleineren vorn auf der Brust, unserem Sohn im Reisebuggy, einem Beutel voll mit beschmierten Broten und einer gigantischen Wickeltasche in den Zug von Leipzig nach Frankfurt am Main. Von dort aus sollte es dann mit dem Flieger über Singapur nach Melbourne gehen.

Da saßen wir also im Familienabteil des ICE und waren unglaublich aufgeregt. Wir hatten keine Ahnung, was uns noch alles erwarten würde. Schon allein diese vierstündige Zugfahrt war ein kleines Abenteuer. Allerdings waren diese vier Stunden wirklich ein Klacks gegen die zwei Flüge, die uns dann noch bevorstanden. Die ersten 12 Stunden von Frankfurt nach Singapur bekamen wir so halbwegs gut über die Runden, wobei unser Sohn in Florians Armen ein paar Stunden Schlaf fand und wir einfach nur sehnsüchtig darauf warteten, dass die Zeit verging. Besonders stressig waren für uns immer Start und Landung, da wir uns Sorgen um den Druckausgleich unseres gerade mal 14 Monate jungen Sohnes machten. Wir halfen ihm dabei, indem wir ihm eine Flasche Milch, ein Quetschi und so viele Blaubeeren gaben, bis wir landeten. Oh man, so ein Landeanflug kann sich echt ganz schön in die Länge ziehen. Für mich kam noch dazu, dass ich schon vor dem ersten Flug leichte Halsschmerzen und Kopfschmerzen hatte, die sich über die nächsten 12 Stunden noch wesentlich verschlimmerten. Meine Symptome wurden tatsächlich so schlimm, dass ich, in Singapur angekommen, mir unmöglich vorstellen konnte, in den nächsten Flieger zu steigen. Da Florian aber ein paar Medikamente und einen so großen Kaffee, wie ich ihn noch nie zuvor gesehen hatte, beschaffen konnte, ging es mir danach soweit gut, sodass ich den nächsten 7-stündigen Flug antreten konnte. Allerdings war die Landung in Melbourne wirklich ein Horror. Natürlich verschlechterte sich mein Zustand, nicht zuletzt wegen des extremen Schlafmangels, dem unaufhörlich lauten Lärmpegel im Flugzeug und dem ganzen Stress drum herum, wodurch ich das Gefühl hatte, dass mir gleich mein Schädel platzen würde, während der Pilot den Landeanflug startete. Angekommen in Melbourne, machte ich mich auf der Toilette etwas frisch und zog mich erstmal um. Das tat mir total gut und half mir, mich ein wenig zu reseten.

Nach ein paar anfänglichen Orientierungsschwierigkeiten, stiegen wir dann in einen Bus, der uns fast direkt zu unserer ersten Unterkunft brachte. Uns überkam eine total überwältigende Euphorie. Wir standen mitten im Zentrum Melbournes und waren komplett überfordert von dem, was uns da geboten wurde: Wolkenkratzer, die einem eine Nackenstarre bescherten und ein Trubel um uns herum, den wir so noch nie erlebt hatten. Es war überfordernd und aufregend zugleich. Sehr viele Eindrücke mussten verarbeitet werden. Das Gute war, dass diese vielen neuen Eindrücke uns einen kleinen Adrenalin-Kick gaben, wodurch wir zumindest in den nächsten Stunden mit dem krassesten Schlafmangel und der Zeitumstellung von 10 Stunden klarkamen.

Angekommen in unserer Unterkunft, ereilte uns dann der nächste Schock, der uns ein wenig aus den Socken haute: Wir landeten in einer kleinen Absteige, in der es so dermaßen nach Rauch und allen möglichen ekligen Gerüchen stank, dass wir am liebsten sofort storniert und uns eine neue Unterkunft gesucht hätten. Dafür fehlte uns ab diesem Zeitpunkt aber leider wirklich jegliche Kraft. Das, was wir einzig und allein noch irgendwie hinbekamen war, mit dem Personal zu sprechen und ein anderes Zimmer zu bekommen, welches nicht so krass verschmutzt war und weniger stank. So landeten wir in einer Wohnung, die zwar nicht schön, aber dafür bezahlbar war. Die nächsten drei Tage lag ich fast ununterbrochen im Bett, schlief und versuchte gesund zu werden, während Florian sich um unseren Sohn und mich kümmerte.

Florian beschreibt die Zeit in Melbourne wie folgt: “Am Anfang fühlte ich mich ganz klein, wie ein Hinterwäldler, der zum ersten Mal in der großen Stadt ist. Da weder mein eigener Körper noch der unseres Sohnes die Zeitumstellung gut verkraftet hatten, saß ich schon in der ersten Nacht heulend und kraftlos vor ihm und gestand mir ein, dass diese Reise ein riesengroßer Fehler war. Dass wir nicht einfach wieder zurück nach Hause konnten, hat mich noch mehr zum Verzweifeln gebracht. In dieser Zeit hätte ich meine optimistische Jess gebraucht, die mich in solchen Momenten immer aufbaut und es schafft, meinen Blick auf das Schöne zu richten. Als es ihr dann endlich besser ging und wir auch mal ein bisschen Sonne tanken konnten, kam ich auch wieder aus meinem Loch raus.

Anschließend ging es für uns am 26. März in unser zu Hause für die nächsten 6 Wochen. Unser Campervan ist ein kleines und schnuckliges Heim, welches, wenn wir die finanziellen Mittel dafür gehabt hätten, getrost auch hätte ein wenig größer sein können. Die Camperreise begannen wir auf der Great Ocean Road in Richtung “12 Apostels” – einem rückblickend absoluten Highlight unserer bisherigen Reise.

Die ersten Nächte verbrachten wir dann freistehend mit wunderschönen Sonnenaufgängen an der Südküste Australiens und fanden uns so langsam im Vanlife ein. Ein für uns besonderer Ort war Cape Otway in Victoria, denn dort sahen wir unseren ersten Koala und das auch noch so krass nah. Das wird wohl für immer unvergesslich für uns bleiben.

Danach ging es an der Ostküste entlang Richtung Norden, denn wir hatten uns im Vorfeld schon für die Route Melbourne – Cairns entschieden.

Unser nächster längerer Halt war am Woodside Beach, wo wir die Einsamkeit und die wunderschöne Natur in vollen Zügen genossen. Da hier bereits der Herbst und damit die Nebensaison begonnen hatte, war am Strand auch wirklich kein anderer Mensch unterwegs. Generell scheinen wir derzeit aufgrund der Pandemie und der gerade erst wieder geöffneten Grenzen Australiens, beinahe die einzigen internationalen Touristen hier zu sein. Strandspaziergänge, Muscheln sammeln und einfach das Meeresrauschen genießen war hier also angesagt. Generell haben wir bis jetzt nie wieder so viele leere, paradiesische und mit den schönsten Muscheln übersäten Strände gesehen, wie entlang des 90 Mile Beach in Süd-Ost-Australien. Die Temperaturen lagen hier immer zwischen 16 und 25°C.

Weiter ging die Reise, mehr durch Zufall, in das kleine Örtchen Sale in Victoria, wo wir im Touristenzentrum eine total geniale Zeit mit unserem Sohn hatten, da nicht gerade Strandwetter war. Wir besuchten eine ganz besondere Kunstausstellung und unser Sohn vergnügte sich in der riesigen, kostenlosen Kinderbibliothek. Das Örtchen ist auf jeden Fall einen kleinen Besuch wert, wenn man mal in der Nähe ist.

Dann ging es wieder an der Küste von einem paradiesischen Strandabschnitt zum nächsten. Auf einem Stellplatz am Meer haben wir dann auch unser erstes Känguru direkt vor uns gesehen.

Da für die nächsten Tage starker Regen zu erwarten war, suchten wir uns in Lake Entrance ein AirBnb, um dem Regen zu entgehen, zum Runterkommen, Entspannen, um neue Pläne zu schmieden, Wäsche zu waschen und um mal wieder richtig Platz zum Schlafen zu haben. Zwei Betten – das war ein Wahnsinnsluxus für uns, wo wir doch sonst zu dritt im Van auf einem winzigen und harten “Bett” schlafen. Es ist so klein, dass man gerade so auf dem Rücken liegen kann, mit den Armen ganz dicht am Körper. Bewegungsfreiheit gibts da nicht. In dieser Unterkunft sollten wir dann unseren ersten krassen emotionalen Tiefpunkt dieser Reise erleben.

Meine Gedanken hatte ich zu dem Zeitpunkt bei Instagram so formuliert:

“So Leute, meine Laune ist gerade etwas getrübt und ich
muss mich auf die neue Situation erstmal einstellen.
1. Wir haben die nächsten Wochen durchweg Regen.
2. Die Strecke von Sydney nach Melbourne ist so schwer
von den Überschwemmungen betroffen, dass wir dort
die eigentlich so schönen Naturwunder nicht bewundern
können.
3. Whale Watching ist erst ab Mitte Mai möglich &
somit für uns unmöglich.

Ich bin natürlich trotzdem unfassbar dankbar
für all das was wir hier erleben dürfen &
dennoch kann ich traurig über meine / unsere
Situation gerade sein, weil ich mir das ganze
doch etwas anders vorgestellt habe.”

Wir fassten dann aber dennoch neuen Mut und gestanden uns ein, dass es auf so einer langen Reise solche kleinen Tiefpunkte auch geben muss, damit wir die Höhen und krassen Highlights noch mehr zu schätzen wissen. Zuvor jagte auch wirklich ein Highlight das nächste und das war so krass für uns, dass wir all das auch kaum selbst verarbeiten konnten. Eines steht fest, egal ob wir gerade ein Hoch oder Tief hier haben: Wir LIEBEN Australien, die Natur und die Menschen hier. Ich verstehe jede einzelne Person, die sich sagt, dass sie hierher auswandern möchte. So eine Leichtigkeit, Freiheit und Lebensfreude haben wir bisher an keinem anderen Ort auf der Welt so gespürt, wie hier.

In den nächsten, regnerischen Tagen verbrachten wir also viel Zeit im Van und konnten gut Strecke machen. Dabei machten wir immer mal wieder in kleineren Ortschaften Halt, um uns die Beine zu vertreten. In Eden gingen wir beispielsweise in ein süßes kleines Orca-Museum, welches wir eher so mittel fanden, aber unserem Sohn wenigstens die Möglichkeit bot, sich zu bewegen.

Als wir am Pebbly Beach entlang kamen, erlaubte es uns das Wetter dann zum Glück auch mal die Gegend ohne Regenschirm zu erkunden und wir kamen den Kängurus so nah, wie wir es gar nicht für möglich gehalten hatten.

Unser nächstes Ziel war die Jervis Bay, wo wir einen der weißesten Strände der Welt, den Hyams Beach, sehen und eine Bootstour machen wollten, bei der wir leider keine Delfine zu Gesicht bekamen. Dabei war der Sand des Hyams Beach fein wie Puder, sodass es beim Laufen unter den Füßen richtig quietschte.

Da es für die nun folgenden Tage keine Aussicht auf Sonnenschein gab, sondern sogar Unwetterwarnungen für unsere Region herausgegeben wurden, entschieden wir uns, wieder weiter ins Landesinnere nach Canberra zu fahren. Zwar gelang es uns dadurch den Regenmassen zu entkommen, allerdings können wir die Hauptstadt nach unserer Erfahrung nicht so richtig empfehlen. Die Stadt ist nicht besonders schön oder reizvoll, wobei wir abends trotzdem etwas außerhalb einen süßen Stellplatz fanden.

Daher entschieden wir uns, nun doch wieder in Richtung Sydney aufzubrechen und uns später in der Stadt ein AirBnB zu nehmen. Vorher kamen wir aber noch an dem Blowhole in Kiama vorbei, wo wir das erste Mal auch die Schönheit in dem diesigen Wetter entdeckten.

Wir haben uns selber ein bisschen wie Kinder gefühlt, als wir durch die Pfützen sprangen und uns den Sprühregen ins Gesicht wehen ließen.

Das war gestern. Und heute sitzen wir ein paar Kilometer weiter nahe des Royal National Park. Die bisherige etwaige Route seht ihr hier.

Unsere bisherige Route, Google Maps, 2022, maps.google.com

Wir bekommen es schon ein wenig mit der Angst zu tun, wenn wir die Wassermassen sehen, die hier runterkommen. Vor meinen Augen steigt hier gerade der Pegel, der aus dem Parkplatz längst ein kleines Freibecken gemacht hat. Der AirBnB-Host, dessen Gartenhaus wir heute beziehen wollten, hat uns gerade die Buchung storniert, da es komplett unter Wasser steht. Leicht panisch haben wir jetzt schnell etwas neues gesucht und gefunden. Wir hauen jetzt mal ab in die Stadt und warten den Regen ab.